Was ist Tantra?

Tantra: Das Leben in seiner Gesamtheit berühren

Tantra ist eine ungemein kreative, mystische Strömung, die vor Tausenden von Jahren in Indien, als Gegenpol zu den vorherrschenden rigiden religiösen Systemen, entstanden ist. Der Tantrismus war neu und revolutionär, weil er für seinen Weg zur Erfahrung der höchsten Wahrheit das gesamte sinnliche, emotionale und intellektuelle Potential des Menschen mit einbezog und alle moralischen oder dogmatischen Eingrenzungen ablehnte. Die Realität der Welt, sagen tantrische Lehrer seit je her, muss in ihrer Gesamtheit berührt und sinnlich erfahren werden, um zu einer völligen Offenheit des Herzens zu gelangen.

So sind für einen Schüler auf dem tantrischen Weg das Profane und das Spirituelle nicht getrennt: jede Erfahrung bietet für ihn die Chance aufzuwachen, solange er dabei aufmerksam und bewusst bleibt. Kein Aspekt menschlichen Erlebens, auch nicht die Sexualität, bleibt, wie bei anderen spirituellen Wegen, ausgegrenzt. Dieser Umstand hat von Anbeginn an zu Angriffen und Missverständnissen geführt, obwohl der ursprüngliche Tantrismus den Stellenwert der Sexualität nicht in dem Maß herausgestellt hat, wie es verschiedene heutige „neo-tantrische“ Ansätze tun.

Im Tantrismus wollen wir nichts weiter als Unabhängigkeit und Harmonie und eine andauernde, tiefe Freude an der Welt, ungetrübt von Ängsten und Beklemmungen.

Tantra in der heutigen Zeit

Doch ungeachtet aller Debatten stoßen tantrische Ideen heute wieder auf großes Interesse, weil sie an einen Punkt von brennender Aktualität rühren: in einer Zeit, in der viele Menschen verloren durch eine pervertierte Konsumlandschaft irren, in der wahre menschliche Intimität mehr und mehr schwindet, erscheint uns Sexualität oft als letzte Möglichkeit der persönlichen Erfüllung. So wird Sexualität zur unbewussten Trägerin vieler Sehnsüchte, die weit über den genitalen Kontakt hinausreichen und an spirituelle Ebenen rühren: wir sehnen uns eigentlich nach einem inneren Ort der Freiheit, des Friedens, der Glückseligkeit und des Sich-Zuhause-Fühlens. Wir möchten ganz im Augenblick, ganz „wir selbst“ sein.

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Tantra schlägt nun vor, unsere Sehnsüchte und Begierden nicht zu unterdrücken, sondern sie mit Bewusstheit zu erfüllen, damit sie zu jenem Treibstoff werden, der uns schließlich mit den wahren Grundlagen des Seins in Berührung bringt. Tantra im eigentlichen Sinne lehrt die leidenschaftliche, staunende Hingabe an das Leben; eine Hingabe, in der „der Körper, die Gefühle und die Gedanken total entspannen in der pulsierenden Präsenz des Augenblicks“ (Daniel Odier). Ein/e Tantrika, ein Schüler oder eine Schülerin des Tantra, lässt sich voll auf das Leben ein. Er/sie möchte es so erfahren, wie es ist, ohne danach zu fragen, wie es nach den Vorstellungen anderer sein sollte – und ist bereit, dabei alle Projektionen, Idealbilder und Ängste zu konfrontieren, die ihn/sie von der spontanen Interaktion mit der Wirklichkeit abhalten.

Es ist diese innere Orientierung, dieser bestimmte Geschmack, dem wir folgen, wenn wir heute am ARUNA-Institut – als moderne westliche Menschen – daran arbeiten, Sex, Herz und Geist in Balance zu bringen. Die wichtigste Frage, die uns leitet, ist diese: „Wie können wir wieder lernen, leidenschaftlich Liebende des Lebens zu sein ?“

Wir möchten klarstellen, dass wir uns am ARUNA-Institut nicht als „Tantra-Lehrer*in“ bezeichnen oder vorgeben, alte tantrische Übertragungslinien zu unterweisen. Wir sind seit Jahrzehnten und mit vollem Herzen Praktizierende des kaschmirischen Tantrismus, wie er von Daniel Odier vermittelt wird und es sind die Ergebnisse dieser Praxis – Freude am Leben und an der Schönheit, offene Präsenz für den jeweiligen Moment, Spontanität in der Interaktion mit der Welt, Liebe für alles Lebendige – die unsere gesamte Arbeit mit Menschen grundlegend prägen.