Die Liebeswunden der Vergangenheit-wie wir damit umgehen können

Warum wir verletzliche Offenheit abwehren

Tiefe intime Verbundenheit bringt unausweichlich die Liebeswunden unserer Vergangenheit zum Vorschein. Die emotionalen und psychologischen Wunden, die wir mit uns tragen, stammen letztendlich alle aus unseren frühen Beziehungen und verdichteten sich zu einer einzigen grundlegenden Erfahrung: wir fühlten uns nicht vollständig geliebt und entwickelten so die chronische Überzeugung, wir wären mangelhafte Wesen. Wir lernten, uns gegen diesen seelischen Schmerz abzupuffern und so entstanden unsere heutigen Beziehungsmuster weitgehend als eine Art Schutzsystem, um uns von der verletzlichen Offenheit abzutrennen, die die Liebe mit sich bringt.

Eine intime Verbindung mit einem anderen Menschen, in der Liebe und Entspannung fließen, weicht die harte Schale dieses Schutzsystems wieder auf, denn Intimität wird immer von einer inneren Öffnung und einem Schmelzen unserer Abwehrhaltung begleitet. Es ist unvermeidlich, dass uns dieser Prozess wieder in Kontakt mit unserem eigenen verwundeten Herzen bringt. Denn wir können uns nicht schützen und gleichzeitig lieben.

Der Kontakt mit ihrem verletzlichen Herzen macht vielen Menschen große Angst und sie versuchen daher, diesen zu vermeiden. Dabei schlagen sie bevorzugt die folgenden Wege ein: 1) sie laufen davon oder ziehen sich zurück, wenn dieser Kontakt angerührt wird, 2) sie werden wütend und aggressiv und attackieren andere oder sich selbst, oder 3) sie versuchen, ihre Angst durch spirituelle Betätigung zu umgehen oder aufzulösen.

Das verwundete Herz als Ort der spirituellen Praxis

Doch wenn wir immer ausweichen, wenn eine Beziehung schwierig wird, wenden wir uns auch von uns selber ab. Die Flucht vor den rohen schmerzenden Orten in uns ist eine Art der Selbstablehnung, in deren Folge wir uns selbst verlassen und von unseren tiefen Gefühlen abschneiden. Je mehr wir vor diesen Schattenseiten davonlaufen, umso mehr verfolgen und erschrecken sie uns. Und so kann ein Teufelskreis entstehen, der uns ängstigt und von unserer Seelentiefe isoliert.

Im Rahmen einer Beziehung braucht es, um an diesem Punkt nicht auszuweichen, ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens. Ohne Vertrauen werden wir uns nicht sicher genug fühlen, um diese Schmerzpunkte ans Licht zu bringen. Und so ist es ein Zeichen von wachsender Intimität, wenn man sich bereit fühlt, sich dem anderen in seiner Verletzlichkeit zu offenbaren. Wir können unsere PartnerInnen in diesem Prozess begleiten, wenn wir liebevoll und freundlich bleiben, wenn sie sich auf schwierigem Terrain befinden und indem wir uns auch mit unseren eigenen Herzenswunden beschäftigen.

Am ARUNA-Institut schlagen wir an diesem Punkt folgende Vorgangsweise vor: betrachte dein verwundetes Herz als den Ort deiner spirituellen Praxis. Beschäftige dich auf gezielte und bewusste Weise mit den Ängsten und Verletzlichkeiten, die für dich im Beziehungskontext auftauchen – falls nötig mit entsprechender therapeutischer Unterstützung. Entwickle die Stärke, sie voll und bewusst zu erfahren, und ebenso die gezielte Willenskraft, mit allem zu sein, was jeweils auftaucht. Denn nur durch direkte Erfahrung können wir uns aus konditionierten Mustern lösen und uns nach und nach auch mit unseren weniger strahlenden Seiten entspannen. Oft sind es gerade die inneren Orte des gefühlten Mangels, die uns auf unserem Weg weiterbringen, wenn wir uns ihnen bewusst zuwenden. Sie zwingen uns dazu, aufzuwachen, fixe Vorstellungen aufzugeben, unser Bild zu erweitern von dem, was wir sein können und zu lernen, wie wir mit den verschiedenen Seiten unserer menschlichen Natur arbeiten können. Und sie zeigen uns auch, was es heißt, sich in seiner menschlichen Unvollkommenheit ganz anzunehmen.