„Reife“ Liebes- und Beziehungsfähigkeit ist lernbar
Seit Jahrzehnten begleiten wir Menschen auf ihrem Weg zu reifer Liebes- und Beziehungsfähigkeit. Dabei zeigt sich, dass dieser Lernprozess bestimmten „Spielregeln“ unterliegt, die im Rahmen der alltäglichen „Beziehungs-Praxis“ wichtig sind. Sie können als Orientierung dienen, wenn wir uns ausrichten, mehr innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit in unser Beziehungsleben zu bringen. Sie zählen zum Fundament unserer Arbeit, deshalb möchte ich an dieser Stelle einige von ihnen – zur Erinnerung und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zusammenfassen:
- Es gibt keine reifen Beziehungen ohne Selbstliebe und Selbstvergebung:
Wer sich nicht liebt, kann andere nicht lieben. Wer sich selbst nicht vergibt, kann anderen nicht vergeben. Jede Schuldzuweisung an andere führt dich auf die Opferebene. Die Schuldzuweisung an dich selbst, führt dich in Selbsthass, Unwertgefühle und Schmerz. Der wohlwollende freundliche Umgang mit dir selbst, mit deinen guten und weniger guten Seiten, ist das Fundament deiner Beziehungsfähigkeit. - Selbstliebe kann manchmal auch bedeuten, Grenzen zu setzen: Manchmal ist es wichtig, Grenzen zu setzen – nach außen und nach innen. Anderen Menschen gegenüber, aber auch dem eigenen inneren Antreiber und Richter gegenüber. Grenzen setzen heißt: souverän, autonom und ohne Bitterkeit sagen zu können: bis hierher und nicht weiter. Es kann beinhalten, dass für bestimmte Wahrheiten eintrittst, z.B.: Ich bin als Mensch von Haus aus wertvoll. Ich habe das Recht, ich selbst zu sein, auch mal schlecht drauf zu sein oder Fehler zu machen. Ich bin nicht verantwortlich für die Gefühle anderer.
- Es liegt nicht in deiner Macht, andere Menschen zu verändern: Du kannst lediglich, mit viel Geduld und Arbeit, dich selber ändern. Jede echte Veränderung bei dir wird langfristig auch Veränderungen bei anderen bewirken und ihnen die Chance geben, eigene Strukturen und Handlungsweisen zu überdenken.
- Was mich an anderen stört oder ärgert, ist fast immer mein eigener Charakterzug: Wenn du Eigenschaften oder Verhaltensweisen an anderen nicht ausstehen kannst, oder wenn sie dich besonders ärgern, handelt es sich ganz oft um Eigenschaften, die du selber in irgendeinem Kontext in dir trägst. Oft projizierst du dein eigenes Unbewusstes auf andere Menschen im außen. Solange du einen bestimmten Charakterzug in dir selbst nicht integrierst, wirst du Menschen in dein Leben ziehen, die dir diesen eigenen unbewussten Charakterzug spiegeln.
- Was man an sich (und anderen) bekämpft und ablehnt, wird stärker: Jede Kraft, Emotion oder Energie, die du in dir nicht angenommen hast, verwandelt sich in eine stärkere, dunklere Kraft, die dich verfolgt und attackiert – so als wollte sie darauf bestehen, dass du dich mit ihr auseinandersetzt. Anerkennen und bewusst machen, erlaubt es allen deinen Erfahrungen, durchzufließen, zu kommen und wieder zu gehen.
- Jeder trägt für sein Verhalten und sein Leben die volle Verantwortung: Was immer auch dein persönlicher Ausgangspunkt sein mag, und wie schwierig deine Kindheit auch gewesen sein mag: nur du selbst kannst dein Leben und Denken verändern. Du trägst die alleinige Verantwortung, deine Glaubenssätze, Ängste und Vorurteile nicht an andere weiterzugeben, sondern sie in dir aufzulösen. „Der reife Mensch“, sagt der spirituelle Lehrer Karlfried Graf Dürckheim, „wird sein Schicksal als Auftrag entgegennehmen, um es am Faden von Zeit und Ewigkeit so gut zu erarbeiten, wie er nur kann.“ Jemand, der gerne Karten spielt, würde sagen: „Ich nehme das Blatt, das ich bekommen habe, an und mache mein bestes Spiel.“
- Veränderung gibt es nur im „Jetzt“: Die Zukunft steht nicht fest, sondern wird durch deine Entscheidungen im „Jetzt“ beeinflusst. Dazu zählen auch die Gedanken, die du jetzt denkst und die bestimmen, welche Teile der Welt du wahrnimmst. Deine Lebensqualität und deine Verbundenheit mit allem hängen stark davon ab, wie sehr du in dem, was du tust, mit Liebe, Hingabe und Bewusstsein jetzt hier sein kannst. Was hilft dir dabei, deine Präsenz und dein Gewahrsein des jetzigen Moments zu festigen?